Von Weichmachern und Orakeln: zum Sprachgebrauch der Ökonomen

Wenn der Sprachgebrauch das Denken und Handeln der Zielleser beeinflussen soll, spricht man von «Linguistischem Framing». Solches lässt sich seit einigen Jahren systematisch in der Sprache der Finanzökonomen feststellen.

In der NZZ vom 26.4.2022 hat Redaktor Roman Bucheli die Finanzökonomen ins Visier genommen.1 Dabei skizziert er, wie ihr Sprachgebrauch in den letzten Jahren das Denken der Öffentlichkeit gezielt beeinflusst hat. Folgt man Buchelis Darstellung, lassen sich vier Phasen unterscheiden. Für die erste Phase stehen sprachliche Weichmacher. Hierzu gehört die populäre Wendung des «billigen Geldes», die Bucheli wie folgt kommentiert: «… alles, was billig ist, geht auf Dauer ohnehin schief, weil es zu gut klingt, um wahr zu sein.»

Sprachliche Weichmacher

Besonders beliebt ist bei Ökonomen ferner die Vorstellung der «sanften Landung» aus der expansiven Geldpolitik. Sie hat wohl dazu geführt, mögliche Risiken zu unterschätzen – und jetzt erst recht von der Inflation auf dem linken Fuss erwischt zu werden. Sofern die Krise eingetreten ist, folgen in der zweiten Phase bedeutsame Aussagen von erschreckender Unverbindlichkeit – oder in den Worten von Bucheli die «sibyllinischen Bonmots». So wird es nach Aussagen von Nobelpreisträger Paul Krugmann «zuerst noch schlimmer werden, bevor es besser wird.»

Beruhigende Scheinobjektivität

Die dritte Phase schliesslich wird durch die Pseudoobjektivierung eingeleitet. Wenn die EZB-Chefin Christine Lagarde darauf verweist, dass vor allen Entscheidungen zunächst die «Daten» vorliegen müssten, … soll diese Aussage vor allem den beruhigenden Schein erwecken, dank eines objektiv gesteuerten Vorgehens alles im Griff zu haben.

«Forward Guidance»?

In der vierten und letzten Phase greifen Ökonomen und Notenbanker gerne zur Methode der «Forward Guidance»: zum Versuch, durch vorauseilende Kommunikation der eigenen Prognosen die Markterwartungen über den künftigen Zinssatz zu steuern. Das beste Anschauungsbeispiel lieferte 2021 der damalige EZB-Chef Mario Draghi. Sein legendäres «whatever it takes» liess die Finanzmärkte glauben, die EZB werde alles Erdenkliche unternehmen, um den Euro zu stützen – und steuerte das Marktverhalten in die gewollte Richtung.

Phase 5 ist erreicht …

Gegenwärtig haben wir bereits eine fünfte Phase erreicht, in der alle Strategien des sogenannten Linguistischen Framings nutzlos scheinen. Es wird daher höchste Zeit, neue sprachliche Rezepte zu finden. Denn es wäre tragisch, wenn den Ökonomen gerade der gegenwärtig grassierenden Inflationsangst sprachlos gegenüberstünden.

Quelle: 1 https://bit.ly/3PQjANb.

Previous PostContent Marketing Trendstudie 2022: Influencer und Video-Content weiter im Aufwind
Next Post Podcasts: Was ihren Erfolg ausmacht