Kein Statist, sondern der Hauptdarsteller
2002 hat die erste CD des Rap-Kollektivs Breitbild das Presswerk verlassen. Rund acht Jahre danach hat Breitbild-Rapper Andri Perl seinen ersten Roman «Die fünfte, letzte und wichtigste Reiseregel» veröffentlicht. Andri ist keinesfalls «Statist in seinem eigenen Leben», wie es der Refrain des gleichnamigen Liedes seiner Debüt-CD benennt. Er hat die Zügel fest in der Hand.
Kurz vor dem Jahr 2000: Überall in der Schweiz hatten sich Hip-Hop-Künstler formiert – es war die Zeit des schweizerdeutschen Sprechgesangs. Unter den Künstlern befand sich Breitbild, das Kollektiv aus Chur. Ihre erste CD handelte vom Handeln selbst. Sie beantwortete eine wesentliche Frage, die junge Akteure an sich selbst stellen: «Bin ich nur ein Statist in meinem eigenen Leben?» Es ging darum, die Kontrolle zu übernehmen, zu agieren, anstatt zu reagieren. Das Lied handelte von dem, was Breitbild-Rapper und Schreibwerkstatt-Dozent Andri Perl nun seit über zehn Jahren eindrücklich demonstriert: Nur wer die Zügel selbst in der Hand hält, bestimmt, wohin die Reise geht.
Schon vor einigen Jahren hat sich Andri in der Schweizer Literaturgemeinde einen Namen gemacht. Sein erster Roman hat die Verkaufskassen ordentlich klingeln lassen. Und auch sein zweiter Roman, «Die Luke», verkauft sich gut. Beide Geschichten handeln von eindrücklichen Figuren, Charakteren mit Ecken und Kanten. Und von Statisten, von Nebenfiguren, die essenziell zur Spannung in der Story beitragen.
Die Würde der Nebenfiguren wahren
War die EP «Statischt» Andris Startschuss für seine berufliche Zukunft? In gewisser Weise war sie tatsächlich ein Anfang. Er setzte sich damals schon intensiv mit Nebenfiguren in seiner Rap-Lyrik auseinander. Genauso, wie er es heute mit den Nebenfiguren in seinen Romanen macht. Wie behandelt ein Autor also Figuren, die zwar nicht im Zentrum der Geschichte stehen, diese aber wesentlich mitprägen? Es ist für ihn wichtig, dass er Nebenfiguren mit Sorgfalt behandelt: «Eine Geschichte kann an ihren Nebenfiguren scheitern; dümmliche Charaktere rauben dem Text die Würde», betont Andri. Die Würde der Statisten gilt es zu wahren. Denn in der Sorgfalt mit Nebenfiguren widerspiegle sich auch ein Stück weit der Charakter des Autors, meint Andri.
Es gilt beim Romanschreiben also, die schreiberischen Raffinessen zu pflegen. Die Sprache im Text muss Qualität haben. Stil und Rhythmus. Für Andri, den Musiker und Autoren, hat Sprache auch immer musikalische Qualität. Sie lebt vom Klang, von der Melodie und vom Taktgefühl. Deshalb haben ihn seine Rap-Texte geprägt. Und gerade deswegen leben seine Romane – durch klare Konzeption, starke Rhythmen wie im Rap und durch würdevolle Statisten.
Erstveröffentlichung: 21. März 2013