Gute Schreibe ist im Journalismus wie in der PR gefragt

Weiss ein Journalist mehr zu erzählen als ein Corporate Writer? Marcel Niedermann beantwortet diese Frage. Er befasste sich früher in Agenturen mit PR-Texten, jetzt schreibt er als Journalist für die breite Öffentlichkeit.

Text Akademie: Marcel Niedermann, Sie haben früher als PR-Berater gearbeitet, heute sind Sie Journalist fürs Schweizer Radio und Fernsehen in St. Gallen. Wie war für Sie der Wechsel vom PR-Berater zum Journalisten?

Marcel Niedermann: Ich bin ein politischer Mensch, der sich für wirtschaftliche und gesellschaftliche Zusammenhänge interessiert. Deshalb war für mich irgendwann einmal klar: Das kann ich in der ganzen Breite nur als Journalist ausleben. Die Themen, über die ich als Journalist berichte, sind aktuell und beschäftigten die Menschen. Als PR-Berater sind die Botschaften häufig nur für eine klar abgegrenzte Zielgruppe relevant. Und sie sind einseitig, da der Absender ja seinen Standpunkt vermitteln will.

Text Akademie: Wo ist das Geschichtenerzählen wichtiger: im Journalismus oder in der PR?

Marcel Niedermann: Bei beiden Berufsbildern ist ein Sensorium für Geschichten gefragt. Im Vergleich zur PR-Branche, in der man häufig Branchenthemen vertieft, sind im Journalismus Zusammenhänge, ein Gespür dafür, was die Menschen umtreibt und vor allem viel Neugier gefragt. Dieses Gespür braucht der Corporate Writer allerdings auch. Kurz gesagt: Gute Schreibe unterscheidet sich kaum – egal ob für PR-Publikationen oder Journalismus.

Text Akademie: Welche Herausforderungen im Schreibhandwerk haben Sie als PR-Berater gemeistert, die es in Ihrem heutigen Job als Journalist nicht mehr gibt?

Marcel Niedermann: Als Journalist bleibe ich sachlich neutral, ausser bei Kommentaren, wo die eigene Meinung explizit gefragt und entsprechend auch deklariert ist. PR-Texte dienen einer Absicht, und zwar derjenigen des Absenders. Sie sind einseitig geprägt. Ein weiterer Unterschied ist die inhaltliche Tiefe. Ein PR-Berater wird bestenfalls zum Wissensträger bei einem bestimmten Thema. Entsprechend tief arbeitet er sich ein. Als Journalist erfasst man ein Thema in seiner Breite und legt die unterschiedlichen Positionen dar.

Text Akademie: Aus der Sicht eines Journalisten: Welche schreiberischen Raffinessen vermissen Sie in den Texten der Corporate Communication?

Marcel Niedermann: Ich glaube, dass es sehr viele geschickte Corporate Writers in der Unternehmenskommunikation gibt. Dies hat auch damit zu tun, dass Unternehmen stark in gute Leute investieren. Zunehmend arbeitet die Unternehmenskommunikation auch mit Bewegbild – das heisst Videos. Bei den dazugehörigen Sprechtexten höre ich oft noch Mängel.

 

 

Previous PostHätte der kleine Prinz doch nur Instagram…
Next Post Kreativität braucht Freiraum